Quelle:© WOLL-Verlag, Hermann-J. Hoffe

Kückelheim 11, 57392 Schmallenberg

Was Sie wissen sollten vorab über Herrn Halbe:

Torben Halbe ist seit dem 1. Mai 2018 Projektmitarbeiter beim Deutschen Forstwirtschaftsrat.

Im Biologiestudium an der ETH Zürich spezialisierte er sich auf Neurowissenschaft. Danach war er für ein Jahr als Lehrer für Biologie und Chemie im Sauerland tätig. Gleichzeitig schrieb er das Buch „Das wahre Leben der Bäume“ (2017), das die These widerlegt, Bäume könnten denken und fühlen.

Um der Öffentlichkeit auch in Zukunft wissenschaftliche Argumente zugänglich zu machen, studierte er danach „Science Communication“ an der Laurentian University (ON, Kanada).

Zum Inhalt im Buch ein kurzer Überblick zum “Warm” machen:

„Man muss die Dinge so einfach wie möglich machen. Aber nicht einfacher.“

Diesen Ausspruch Albert Einsteins muss jede ernsthafte Wissenschaftskommunikation beherzigen. Fachwissenschaftler tun sich oft schwer mit dieser Kommunikation, sei es, weil sie sie als Zeitverschwendung betrachten, sei es, weil ihnen einfach ein Gespür für das angemessene Vokabular fehlt, oder einfach auch, weil sie das Risiko eines möglichen Reputationsverlusts gegenüber ihren strengen Fachkollegen nicht eingehen möchten.

„Ich übersetze Wissenschaft in Alltagssprache“ erklärte Peter Wohlleben, Autor des Dauer-Bestsellers „Das geheime Leben der Bäume“, in einem am 18.06.2016 von der Neuen Zürcher Zeitung publizierten Interview. Das Buch erscheint inzwischen bereits in der 29. Auflage und scheint somit Wohlleben als höchst fähigen und erfolgreichen Wissenschaftskommunikator auszuweisen. Und es ist nicht nur dieses eine Buch: von seinen 16 in neun Jahren publizierten Titeln findet sich auch „Das Seelenleben der Tiere“ seit Längerem in der Liste der Bestseller.

Ein Übersetzer ist ein Über-Setzer: Er führt die Fähre der Vermittlung durch Untiefen und Klippen zwischen den Ufern nicht nur zweier Sprachen, sondern auch zweier Kulturen. Er hat darauf zu achten, dass die in den beiden Sprachen verwendeten Zeichen und Begriffe, d.h. die Semantik, einander entsprechen und somit auch eine sinngemäße Rückübersetzung erlauben. Ist dies nicht der Fall, entstehen Zerr- oder gar Trugbilder. Wohlleben beschreibt die vermeintliche Wesenhaftigkeit der Bäume nicht nur in der Sprache zwischenmenschlicher Beziehungen, sondern schreibt Bäumen sogar tatsächliche menschenähnliche Wahrnehmungen, Gefühle und Handlungen zu. Dies ist wissenschaftlich unhaltbar, auch wenn sich Wohlleben eine unfehlbare Deutungshoheit seiner Beobachtungen und der wissenschaftlichen Befunde gibt. Es lässt eigentlich nur unseren Dünkel vom Menschen als der „Krone der Schöpfung“ erkennen, wenn wir Tieren und Pflanzen menschenähnliches Verhalten als Norm unterstellen.

Wie konnte aber das „Geheime Leben der Bäume“ trotz vieler wissenschaftlich nicht haltbarer Aussagen eine derartige Popularität erlangen? Viele von uns sind in der heutigen Welt mit ihren unübersehbaren, von uns selbst verursachten Umweltschäden verunsichert und sehnen sich nach einer Welt, in der Natur und Mensch im Einklang sind. Die Vorstellung von der Natur ist mystisch, ein Konstrukt der Sehnsucht, alles Natürliche hat prinzipiell gut zu sein. Dieser Sehnsucht kommt Wohlleben mit seinen populären Deutungen in einer Weise entgegen, die geradezu populistische Züge trägt, wie sie in anderen Bereichen unserer Gesellschaft verbreitet sind. Dem Leser wird Verständnis lediglich suggeriert, und er bekommt, was er sich wünscht.

Die Fachwelt der Pflanzenwissenschaftler hat sich bislang mit Stellungnahmen zum „Geheimen Leben der Bäume“ auffallend zurückgehalten. Die meisten meiner Kollegen, wenn sie das Buch überhaupt gelesen haben sollten, halten Wohllebens Thesen für so offenkundig unwissenschaftlich und unhaltbar, dass sie es gar nicht für nötig befinden, sich öffentlich kritisch dazu zu äußern. „Ich habe das Buch nie in der Hand gehabt und nur schreckliche Dinge darüber gehört“, schrieb mir ein namhafter Kollege. Angesichts der Popularität des Buches muss auch ich mir den Vorwurf machen, es erst dann gelesen und seine gefährliche Tragweite erkannt zu haben, als mir Torben Halbe das Manuskript seines Buches „Das wahre Leben der Bäume“ geschickt hatte. Halbe ist ein junger und in der Fachwelt noch unbekannter Biologe, der an der ETH Zürich den Masterstudiengang Biologie absolviert hat und derzeit Biologie und Chemie unterrichtet. Als Lehrer ist er täglich gefordert, wissenschaftliche Fachsprache in Alltagssprache zu übersetzen. Diese Fähigkeit kommt in seinem Buch bestens zur Geltung. Als Wissenschaftler entlarvt er Wohllebens „alternative facts“ und zerlegt unhaltbare Rückschlüsse. Er schreibt mit aufrichtiger jugendlicher Empörung, wehrt sich gegen Scheinwahrheiten und plädiert für einen vorurteilsfreien kritischen Umgang mit wissenschaftlichen Daten. Es ist zu hoffen und zu wünschen, dass sein Widerspruch auch die enthusiastischen Leser des ,geheimen Lebens der Bäume‘ erreicht.

Nikolaus Amrhein

Emeritierter Professor für Pflanzenwissenschaften an der ETH Zürich

„Und bitte, um Himmels willen, verlegen Sie nicht noch mehr Bücher über Bäume, die mit anderen Bäumen reden. Niemand braucht 224 Seiten, um herauszufinden, worüber sich Bäume unterhalten.“, sagte Jarett Kobek, Shootingstar nicht nur der amerikanischen Literaturszene, als er anlässlich seiner als literarischer Coup gefeierten Satire „Ich hasse dieses Internet“ eine Rede vor Verlegern auf der Frankfurter Buchmesse hielt. Der Amerikaner hatte also seine Hausaufgaben gemacht und sich vorab über das seltsame Land informiert, in dem Peter Wohllebens „Das geheime Leben der Bäume“1 monatelang die Bestsellerlisten anführen kann.

Es ist passend, dass er als Kritiker des zeitgenössischen Internets dieses Buch und seinen Erfolg erwähnt, denn die Mentalität des Buches und seiner Fans spiegelt viel von der Mentalität in sozialen Netzwerken wider. In diesen muss alles sofort mit einem eindeutigen Label belegt werden: „Like“ oder „Dislike“ wird dort zur Devise, Schwarz-Weiß-Denken zum Gebot der Stunde. Der Autor Peter Wohlleben macht es sich ähnlich einfach: Für ihn ist die Einführung von „Urwäldern“ ganz uneingeschränkt gutzuheißen und jede andere Waldnutzung abzulehnen. Er wird damit zu einer Art Heilsbringer für diejenigen Menschen, die Umweltschutz sozusagen mit der Etikettiermaschine betreiben möchten und Produkte, Handlungen, Technologien, Länder, Firmen oder gar Personen allein danach beurteilen, ob sie über ein Bio-Label verfügen oder nicht. Am Ende wird im Namen der Umwelt so über Gut und Böse entschieden. Das Prekäre eines gleichermaßen oberflächlichen wie banalisierenden Mechanismus für die Orientierung gegenüber komplexen Fragestellungen muss ins Auge fallen. Doch leider sind diese Mechanismen von verführerischer Einfachheit, sodass viele, die mit den besten Absichten im Umweltschutz aktiv sind, ihnen anheimzufallen drohen. Dieses Buch ist zur Selbsthilfe gedacht, es soll Umweltinteressierten einen Weg eröffnen, die eigene Rhetorik und politische Forderungen zu hinterfragen, gerade auch der Umwelt zuliebe. Denn besagtes Simplifizieren der Entscheidungsfindung erweist sich insbesondere im Verbund mit einem Absolutheitsanspruch als höchst problematisch, da praktizierter, funktionierender Umweltschutz in der Realität größtenteils auf einem die Komplexität des Gegenstandes berücksichtigenden Abwägen beruht. Will man vor allem das Klima schützen? Will man große Artenvielfalt aufrechterhalten, indem man zum Beispiel andere Bäume und die an sie angepassten Organismen zumindest lokal gegen die dominante Buche schützt? Oder will man dem freien Lauf lassen, was man als „Wildnis“ interpretiert und – um im Beispiel zu bleiben – der Buche das Feld überlassen, bis sie eines Tages selbst verdrängt wird, zum Beispiel durch eine Veränderung des Weltklimas? Und was ist mit den Menschen? Sieht man sie als Teil der natürlichen Umgebung oder als Störfaktor? Und wenn Letzteres der Fall ist, sollte man die menschliche Nutzung der Natur in Deutschland stark zurückfahren und damit doch nur riskieren, dass die natürlichen Ressourcen in anderen Teilen der Welt, wo es kaum Umweltschutzauflagen gibt, verstärkt ausgebeutet werden, um die Nachfrage der Deutschen zu decken?

Die Vielfältigkeit der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte tritt deutlich zutage und einzelne Aspekte stehen allzu oft im Konflikt miteinander. Es gilt auch hier, dass man Kompromisse finden muss. Wer nun aber Umweltschutz allein nach Schwarz-Weiß-Etikettierungen betreibt, wird sich eben damit schwertun. So lässt sich immer wieder beobachten, dass aus einem intuitiven Umweltverständnis, also quasi aus dem Bauch heraus, absolute Entscheidungen getroffen werden sollen, die als für die Allgemeinheit verpflichtend verstanden werden. Dabei sollte doch den meisten von uns klar sein, dass die Dinge um uns herum sich nicht unseren Emotionen anpassen. Wir glauben ja z.B. nicht, dass die Sonne sich für uns abdunkeln wird, wenn wir uns geblendet fühlen. Doch wie kommt es dann, dass manch ein Umweltfreund denkt, etwas sei umweltfreundlich, nur, weil man davon überzeugt ist?

Nun, dies entpuppt sich als Akt der Selbsttäuschung: Statt sich angemessen mit den komplexen Zusammenhängen der realen Umwelt auseinanderzusetzen, wird dieser Prozess auf Basis des „Labelings“ vereinfacht und auf eine Schwarz-Weiß-Version von Umwelt ausgerichtet, auf ein „Gut“ und „Böse“ von Verhalten gegenüber der Natur.
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